Die Naturwissenschaften am Ursprung
Einleitung
Wenn man die Geschichte der Naturwissenschaften erzählen will, so muss man bis zu den Wurzeln der Menschheit zurückgehen. Denn seitdem es Menschen gibt, gibt es auch Naturwissenschaft. Alles begann vor etwa 150000 Jahren als die ersten Formen des »Jetztmenschen«, des homo sapiens (wörtlich: der verständige, der mit Vernunft begabte Mensch) auftraten.
Naturerfahrungen und Naturkenntnisse in der Urgesellschaft
Die Menschen der Ur- und Frühgesellschaften waren bereits in der Lage Werkzeuge aus Stein Knochen und Holz herzustellen. Berühmtestes dieser Werkzeuge ist zweifelsohne der Faustkeil:
Die Weiterentwicklung dieser Gerätschaften beruhte auf empirisch (griechisch-lateinisch für aus der Erfahrung, der Beobachtung erwachsen) erworbenen Kenntnissen über die eingesetzten Materialien.
Dies brachte Werkzeuge und Geräte hervor wie z.B. das Beil, Gefäße aus Stein, Holz, Leder oder Flechtwerk, Einbaum und Kanu und die Angel. Noch in der Jungsteinzeit wurde das Brennen von Ton und Lehm erfunden.
Vermutlich durch eine Klimaänderung bedingt, vollzog sich in einigen Regionen der Erde eine Änderung der gesellschftlichen Ordnung. Die alte Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau, jung und alt, wurde überlagert durch die zwischen Ackerbauern und Viehzüchter. Somit wurde es möglich, verbunden mit dem zumindest temporären sessig werden, Fortentwicklungen auf den Gebieten des Handwerks, des Ackerbaus und der Viehzucht zu erreichen. Auf den Gebieten des Ackerbaus sind besonders die durch Selektion erreichten Kulurpflanzen zu nennen, wie z.B.Gerste, Emmer, Weizen, Hirse, Reis und Mais. Bei der Viehzucht verhält es sich ähnlich. Auch hier wurden biologische Gesetzmäßigkeiten ausgenutzt, die bei uns heute unter den Begriffen Vererbung und Selektion bekannt sind. Die Domestikation von Wildtieren wurde auf diese Weise möglich. So gelang sie bei Wildziege, Wildschaf und Wildschwein, später bei Wildrind und Lama. Büffel und Elefanten wurden als Arbeitstiere einsetzbar. Der Hund wurde des Menschen treuer Begleiter. Diese Umgestaltungsphase wird heute als agrarische Revolution bezeichnet.
Durch diese Umschichtungen war es möglich größere Überschüsse an Waren, wie z.B. Nahrungsmitteln zu erzieln. Dies führte zu einer verstärkten Handelstätigkeit, durch die es nötig wurde zu zählen. Für Zahlensysteme wurden unterschieliche Basen verwendet. Am häufigstens fand die Basis 10 Verwendung, auf die auch unser Dezimalsystem beruht. Wahrscheinlich wurde sie gewählt, weil der Mensch 10 Finger hat. Weit verbreitet war auch noch die Basis 20 (Finger+Zehen), die z.B. von den Kelten benutzt wurde.
Schon zu dieser Zeit beschäftigten sich die Menschen mit dem Geschehen am Himmel. So z.B. mit dem Lauf der Planeten und der Sonne, mit den Mondphasen, dem Sternenhimmel. Sie brachten diese Bewegungen mitdem irdischen Geschehen in Verbindung: mit den Jahreszeiten, mit regelmäßigen Überschwemmungen oder mit der Terminen für die Aussaat. Für die Menschen der Steinzeit waren die Himmelskörper Götter oder höhere Mächte; hier liegt der Ursprung der Astrologie mit ihrer Vorstellung, dass der Lauf der Gestirne Einfluss auf die Geschicke des Menschen hat.
Eines der beeindruckendsten Bauwerke der Steinzeit ist ohne Frage das in England gelegene Stonehenge. Die Anlage diente vermutlich der Sonnenverehrung und wurde etwa um 1500 v.Chr. fertiggestellt. Hier ein paar Bilder:
Die Steine für dieses Bauwerk mussten teilweise bis zu 300 km herantransportiert werden. Nun wird einem die gewaltige Leistung des Erbauens bewußt.
Die Erfindung des Rades war ein wichtiger Wendepunkt in der menschlichen Zivilisation. Die ersten Räder, Scheiben, die aus festem Holz geschnitzt wurden, wurden vielleicht bereits im Jahre 3500 v.Chr. gebaut. Die früheste Anwendung dieses Geräts war die Töpferscheibe, die verwendet wurde, um Tontöpfe zu drehen und zu formen. Es dauerte nicht lange, bis das wahre Potential des Rades gefunden wurde und beräderte Wagen den Schlitten als Transportmittel ersetzten. Schnelle Entwicklungen - wie Räder - die aus einem Ring und Speichen bestanden, machten das Rad mit seinem geringeren Gewicht sogar noch praktischer. Durch die Entdeckung des Rades konnten Menschen wirtschaftlicher arbeiten und schneller reisen. Neben der Verwendung beim Transport wurde das Rad das Grundprinzip für fast jedes mechanische Gerät.
Naturerkenntnisse in Mesopotamien und Ägypten
Im Zweistromland und in Ägypten bildete sich ca. um 4000-3000 v.Chr. eine neue Gesellschaftsordnung heraus. Sie sah zuerst die Teilung in körperliche und geistige Arbeit vor. So wurde eine Schicht mit der Zeit wohlhabender und wohlhabender und konnte Führungspositionen in Militär und Priestertum besetzen, was wiederum zu Machtgewinn führte. Durch die erworbenen finanziellen Mittel war es für die Oberschicht möglich geworden Gefangene zu ernähren und zur Arbeit zu zwingen. Diese Sklaverei zerstörte die Urgesellschaft und schuf die Klassengesellschaft.
Besonders in den fruchtbaren Regionen - wie in Ägypten, im Zweistromland und im Industal - ermöglichten die großen landwirtschaftlichen Überschüsse die Konzentration von Menschen in Städten, wie die Karte zeigt:
Die Konzentration wiederum verhalf der handwerklichen Produktion zu großem Aufschwung. Durch die Produktion wurde der Handel belebt, Straßen wurden gebaut, Wasserwege erschlossen. Der Handel förderte die bestehende Geselschaftsordnung nach der die Sklaven den Großteil der körperlichen Arbeit verrichteten. Der Handel sorgte für die Einführung von Geld als Zahlungsmittel, für die Einführung von Maßen und Gewichten, den Austausch mit anderen Kulturen auch wissenschaftlicher Art und als größte Leistung für die Entwicklung von Sprache und Schrift.
Wie die Schrift letztendlich entstand ist heute noch unklar. Man weiß nur, dass die Schriften der Ägypter und Mesopotamier sich - wie heute noch die chinesische - aus einer Bilderschrift ableiten lassen.
Anhand dieser Keilschrifttexte lässt sich die Abstammung aus einer Bilderdchrift erkennen:
Die Aufteilung der Sprache in Einzellaute und deren Zuordnung zu einem bestimmten Schriftzeichen geht höchtswahrscheinlich auf die semitischen Völker des Nahen Ostens zurück. Der Zeitpunkt ist nicht genau festlegbar, wird aber mit 1600-1200 v.Chr. angegeben. Der berühmteste Spross aus der Familie der Alphabete dieser Zeit ist das in den Ruinen von Ugarit (Syrien) gefundene.
In folgender Tabelle wird die Entwicklung vom Alphabet aus Ugarit zum lateinischen Alphabet aufgezeigt:
Die Entwicklung der Schrift war eine hochbedeutsame für die gesamte Menschheit. Sie wurde sich ihrer selbst bewusst, da sie ab nun in der Lage war, ihre eigene Entwicklung festzuhalten. Die einzelnen Kulturen konnten ihre Vorstellungen, Entwicklungen und Kenntnisse für die Nachwelt festhalten. Auch für die Naturwissenschaften war das wichtig, denn nur mit ihrer Hilfe kann systematische Naturforschung betrieben werden und nur so können naturwissenschaftliche Erkenntnisse weiter verbreitet werden.
Durch die Schrift war es dem Menschen ermöglicht worden Naturwissenschaft sinnvoll zu betreiben. Es werden nun einige Errungenschaften der mesopotamischen und ägyptischen Kultur aufgezählt.
Mathematische Kenntnisse
Die Ägypter hatten ein dezimales Zahlensystem, wobei aber jede Zehnerpotenz ein anderes Zeichen hatte. Sie kannten ebene Geometrie und lineare Gleichungen, konnten Flächen und einfache Volumen berechen und hatten für π den Näherungswert 3 oder manchmal auch π/4≈(8/9)
2.
In Mesopotamien war die Mathematik noch höher entwickelt als in Ägypten. Das Zahlensystem war ein Positionssystem zur Basis 60. Ihr erstklassiges Zahlensystem, welches sogar eine Art Null besaß, befähigte sie selbst Gleichungen 4. Grades und Gleichungssysteme näherungsweise lösen zu können. Weiterhin war es ihnen möglich Variablen zu trans- und substituieren. Sie konnten Wurzeln ziehen und benutzten Zahlentafeln als Rechenhilfen. Ebenfalls wurden arithmetische und geometrische Reihen behandelt, ja sogar der später nach Pythagoras benannte Satz war ihnen dem Sachverhalt nach bekannt.
Ihre mathematischen Fähigkeiten fanden schon damals vielerlei Verwendung, so z.B. beim Herstellen von Wasseruhren , beim Bau von Dämmen, bei der Berechnung von Ernteerträgen und Feldergrößen, im Erbrecht, bei Zins und Zinseszins und im Zahlungsverkehr.
Astronomie und Weltbild
Systematische Himmelsbeobachtungen gab es bei beiden Kulturen seit dem 3. vorchristlichen Jahrtausend. Bald erkannten die Priester, die mit der Himmelsbeobachtung beauftragt waren, dass viele Himmelserscheinungen periodisch verlaufen. Dies wurde zuerst an Sonne und Mond bemerkt, später auch bei der Venus. Hier ein mesopotamisches Zeugnis aus dem 3. Jahrhundert v. Chr.:
Kalendarische Systeme waren schon lange Zeit bekannt. Sie richteten sich nach dem Mond, später vermehrt nach der Sonne. Vieles der mesopotamischen Astronomie hat bis in unsere Zeit überdauert. Zu nennen wäre da die Zeiteinteilung, bei der wir auch heute noch ein zur Basis 60 ausgerichtetes benutzen (1 Stunde = 60 Minuten = 3600 Sekunden).
Bei all diesen großartigen Entdeckungen besaß ihre Astronomie doch einen großen Mangel. Sie kamen nach heutigen Kenntnissen nicht auf eine Vorstellung zur Bewegung der Himmelskörper im Raum. Dies lag an ihrer noch sehr mytischen Vorstellung des Himmels. So stellte man sich in Mesopotamien den Himmel als eine riesige Kuppel vor, die über die von Wasser getragene Erde gespannt war. Die Ägypter stellten sich vor, dass die Himmelsgöttin Nut mit ihrem Körper über die Erde gebückt war, nur von Händen und Füßen getragen. An ihrem Körper waren die Sterne befestigt.
Physikalische Kenntnisse
Die Baukunst ist zweifelsohne eines der beeindruckendsten Kapitel der alten Hochkulturen. So war der Bau der großen Pyramiden von Giseh nur durch ein ausgeklügeltes Transportsystem möglich. Auch die Exaktheit des Baus und die Haltbarkeit der über 4000 Jahre alten Pyramiden verblüfft. Auf folgenden Bildern sehen wir, wie eine Statue zu ihrem Bestimmungsort transportiert wird und die weltberühmten Pyramiden von Giseh:
Die größte der Pyramiden auf dem zweiten Bild ist die Cheopspyramide. Sie wurde um 2700 v.Chr. vollendet und hatte zu dieser Zeit eine Höhe von 146,6 m. Sie wurde aus tonnenschweren Steinen erbaut. Wie man diese Steine verbaut hat und wie man sie bei der wachsenden Pyramide in immmer größere Höhen gehieft hat ist immer noch unklar. Man schätzt aber das 30000 Arbeiter über Jahrzehnte mit dem Bau beschäfgtigt waren. So waren wohl ganze Baumeister- und Handwerkergenerationen mit dieser gewaltigen Aufgabe betraut.
Die Exaktheit des Pyramidenbaus erforderte sehr genaue Maß- und Gewichteinheiten. Die Längenmaße wurden meist von Körperteilen abgeleitet. Da gab es »Spanne«, »Elle« und »Fuß«. Die tatsächlichen Längen differierten natürlich, aber der Handel verlangte bald genormte Maße. So wurde im ägyptischen Großreich die »königliche Elle« (nach heutigem Maß 52,4 cm) festgelegt und als verbindlich erklärt. Darauf basierend wurden Flächen- und Raummaße geschaffen, die vom Längenmaß abgeleitet wurden, also »Quadratelle« oder »Kubikelle«. Doch auch spezifische Maße konnten sich behaupten. So z.B. Hohlmaße für Wasser oder Getreide, die sich selbst noch im Europa der Neuzeit neben metrischen angaben hielten. Der Scheffel Getreide sollte wohl jedem hinreichend bekannt sein.
Der Handel erforderte genaues Abwägen von Gütern. Anfangs wohl nur von Juwelieren zum Abwägen von Goldstaub eingesetzt konnte sich die Waage ab etwa 2500 v.Chr. auch bei anderen Handelstätigkeiten durchsetzen. Die Gewichte waren zuerst aus Stein, wurden später aber auch aus Bronze gegossen und besaßen durch die Kulturen geprägte typische Formen, wie auf dem folgenden Bild aus Mesopotamien die von Enten:
Ein großes Problem der Messungen war die Zeit. Mit dem Schattenjstab, einer Art Sonnenuhr, konnte die Tageszeit in den sonnenreichen Regionen der Erde angezeigt werden. Für präzisere Messungen wurde in Mesopotamien die Wasseruhr benutzt, bei der die Menge des ausfließenden Wassers ein Maß für die Zeit darstellte. Genauere Messungen waren aber auch damit nicht durchführbar.
Metallurgie und chemisches Gewerbe
Seit etwa 3000-2000 v.Chr. war es den Hochkulturen möglich geworden Roherze zu den entsprechenden Metallen zu reduzieren und auch aus Kupfer und Zinn Bronze herzustellen. Die Metallgewinnung war ein hochkomplexer Vorgang. Man mußte zunächst die entsprechenden Erze finden, dann abbauen, transportieren und schließlich verarbeiten. Die Verarbeitung war am schwierigsten, da man geeignete Öfen mit hohen Temperaturen benötigte um aus Eisenerz eine Art Stahl herzustellen. Die kleinen Brennöfen der damaligen Zeit waren aber nicht in der Lage solch hohe Temperaturen zu liefern, so dass das Eisen nicht flüssig wurde. Die Verunreinigungen mussten dann mit einem Hammer herausgehauen werden und wegen der Kohlenstoffarmut war es nötig das Eisen zu Stahl zu härten. Dieses nachträgliche »kohlen« war den Hochkulturen um 2000 v.Chr. möglich geworden. Hier ein Ofen aus dieser Zeit:
Die mühevoll gewonnenen Metalle wurden dann zu Werkzeugen, Waffen, Gefäßen und Schmuck verarbeitet, was die Arbeitsleistung gegenüber Steinwerkzeugen erheblich steigerte. Die Historiker sehen diese Umwälzung als so einschneidend an, dass sie noch heute von Bronze- und Eisenzeit sprechen.
Die Glasherstellung war in Ägypten und dem Zweistromland seit etwa 3000 v.Chr. bekannt. Man kannte färbende Mineralien wie Eisen-, Kupfer-, Mangan- und Quecksilberverbindungen mit denen die Glaswaren, aber auch Keramik und Fasern gefärbt wurden. Aber auch Naturfarben wurden zum Färben benutzt.
Alle chemischen Handwerker (Färber, Schmelzer, Schmiede etc.) waren in Ägypten während des mittleren Reiches (2040-1785 v.Chr.) Teil des Priestergewerbes, das vorwiegend in Tempelwerkstätten produzierte. Hier ein Zeugnis der hohen künstlerischen Fähigkeiten der Babylonier:
Biologische und medizinische Kenntnisse
Die Biologie war als Wissenschaft besonders in der Landwirtschaft präsent. Man hatte früh erkannt, dass man durch geschickte Kreuzungen von Individuen besonders gute Resultate erreichen konnte.So kannte man in Mesopotamien die künstliche Befruchtung der Dattelpalme:
In der Medizin wurde den inneren Organen besondere Aufmerksamkeit zuteil. Die Leber wurde wegen ihrer Blutfülle von einigen Völkern als Sitz des Lebens bezeichnet. Die Babylonier trafen Weissagungen aus der Leber, die bei ihnen eine große Bedeutung in der Religion spielten. Zur Zeit Hamurabis (um 1700 v.Chr.) gab es sogar schon Chirurgen als Spezialärzte.
Bei den Ägyptern ist zuallererst die Haltbarkeit von Leichen, also die Mumifizierung zu nennen. Noch heute versetzt der gute Zustand der Mumien die Wissenschaftler in Erstaunen. Doch bei beiden Völkern blieben die anatomischen Kenntnisse relativ beschränkt.